Den Garten nützlingsfreundlich machen – Wildbienenexperte Rolf Witt gibt Rat
Du möchtest etwas zum Schutz unserer heimischen Nützlinge in deinem Garten oder auf deinem Balkon beitragen? Wildbienenexperte Rolf Witt steht toom bei der Auswahl eines insektenfreundlichen Sortiments beratend zur Seite. Im Interview beantwortet er wichtige Fragen rund um nützlingsfreundliches Gärtnern.
Monokulturen, Pestizide und immer weniger Grünflächen sind eine große Gefahr für Bienen, Hummeln, Schmetterlinge & Co. Doch was kann ich überhaupt dazu beitragen, um dem Rückgang der wichtigen Nützlinge entgegenzuwirken?
Jeder Einzelne kann im Kleinen seinen Beitrag leisten, indem er einen Mix aus insektenfreundlichen Blüh- und Nutzpflanzen anlegt – das kann in einem großzügig geschnittenen Garten genauso wie auf einem kleinen Stadtbalkon geschehen. Ein Schottergarten oder ein grüner, kurz geschorener Zierrasen bietet Nützlingen hingegen keinen Lebensraum. Neben dem nützlingsfreundlichen Nahrungsangebot benötigen Insekten aber auch geeignete Nistplätze. Hierfür eignen sich zum Beispiel größere Totholzstücke, verblühte, dickere Pflanzenstängel, die nicht zurückgeschnitten sind, und vor allem kleine, offene Sandbereiche.
Warum sind die Nützlinge als Blütenbestäuber für unsere Umwelt so wichtig?
Schmetterlinge, Honigbienen und Wildbienen, zu denen auch die Gattung der Hummeln gehört, haben als Blütenbestäuber eine wichtige Funktion beim Erhalt der biologischen Vielfalt und dem genetischen Austausch der Pflanzenarten. Ohne sie müssten die Pflanzen per Hand von Menschen bestäubt werden. Das wäre nicht nur extrem teuer, sondern bei den meisten Pflanzen gar nicht leistbar.
Ohne die vielen Insekten wären viele andere Tierarten bedroht, denn Frösche, Mäuse und Vögel würden keine Nahrung mehr für sich und ihren Nachwuchs finden.
Wie lässt sich ein nützlingsfreundlicher Garten schnell und unkompliziert umsetzen?
Je tiefer man in das Thema einsteigt, umso größer der Effekt. Aber wir können schon mit einfachen Mitteln einiges erreichen. Um die Artenvielfalt im eigenen Garten zu fördern, kann man zum Beispiel wilde Ecken schaffen, in denen man die Natur sich selbst überlässt. Schnell siedeln sich hier anspruchslose Pflanzen an, die für einige Insektenarten wichtige Nahrungsquellen sind.
Eine weitere Möglichkeit bietet regional angepasstes Saatgut, mit dessen Hilfe man zum Beispiel in einer Ecke des Gartens oder in einem Beet nützlingsfreundliche Pflanzen aussäen kann. Die Samen entwickeln sich jedoch nur bei entsprechender Bodenbeschaffenheit: Viele bestäuberfreundliche Pflanzen benötigen nährstoffarme Böden, ansonsten führt das Projekt nicht zum Erfolg.
Wann ist die beste Zeit zum Aussäen und Pflanzen?
Damit sich der Garten im Sommer in ein blühendes Paradies verwandelt, sollten wir nicht nur im Frühjahr, sondern auch im Spätsommer aussäen. Stauden können sehr gut bis zum Herbst gepflanzt werden. Das garantiert, dass sie im nächsten Sommer in voller Blütenpracht erstrahlen.
Einige der Bestäuber brauchen bereits im Frühjahr Blüten, die sie mit Nektar und Pollen versorgen. Gartenbesitzer sollten daher im Herbst auch zahlreiche Blumenzwiebeln pflanzen. Frühblüher wie Krokusse, Wildtulpen, Traubenhyazinthen und Blausterne, die früh im Jahr ihre Blüten öffnen, sind wichtige Nahrungsquellen für Nützlinge.
Was ist bei der Auswahl der Pflanzen zu beachten?
Bei der Auswahl der Pflanzen helfen zwei einfache Grundregeln: Wir sollten heimische Arten exotischen vorziehen und auf gefüllte Sorten komplett verzichten. Denn die Blumen mit den üppigen, gefüllten Blüten sind eine Mogelpackung, weil ihre Staubblätter zu nutzlosen Schaublättern umgezüchtet sind. Bei ungefüllten Blüten hingegen enthalten die Staubgefäße, ihrer ökologischen Funktion entsprechend, den überlebenswichtigen Pollen.
Welche Pflanzen eignen sich für welche Nützlinge?
Bienen und Hummeln lieben Blumen, die reich an Nektar und Pollen sind. Dazu gehören Flockenblumen, Lavendel, Minze, Glockenblumen und Margeriten, um nur einige zu nennen.
Auch Schmetterlinge und Falter saugen mit ihrem langen Rüssel den zuckerhaltigen Nektar aus den Blütenkelchen. Nektarpflanzen für Schmetterlinge sind zum Beispiel Disteln, Fetthennen, Phlox, Sommerflieder und Thymian.
Die meisten ausgewachsenen Schmetterlingsarten leben jedoch nur wenige Tage oder Wochen. Sie brauchen daher Futterpflanzen für ihre Raupen. Das können zum Beispiel Möhren, Dill, Disteln, Brennnesseln oder Brombeersträucher sein. Falls die eine oder andere Gartenpflanze unter dem Hunger der Raupen leidet, sollten sich Gartenbesitzer freuen, dass schon bald bunte Schmetterlinge über ihre Wiese flattern.
In einem nützlingsfreundlichen Garten haben Pestizide nichts zu suchen. Wie lassen sich Pflanzen dennoch schützen?
Alternativen zu Pestiziden bieten biologische Mittel, die den Garten vor unerwünschte Arten schützen. Viele Schädlinge lassen sich aber durch einfache Barrieren wie einem Schneckenzaun fernhalten, der Blumen- und Gemüsebeete vor Schnecken schützt.
Kräuter können ebenfalls als natürlicher Insektenschutz wirken. Das liegt an ihren ätherischen Ölen, deren Geruch die unliebsamen Gäste abschreckt. Zum Beispiel wirkt Bohnenkraut abschreckend auf Blattläuse. Voraussetzung ist natürlich, dass die Kräuter direkt neben den zu schützenden Pflanzen stehen.
Einige der sogenannten Schädlinge sollten Gartenbesitzer aber auch einfach mal tolerieren. Schließlich sind sie die Nahrungsgrundlage für die Nützlinge. So stehen Blattläuse auf dem Speiseplan der Marienkäfer und verschwinden manchmal ganz von alleine nach einiger Zeit. Einen Garten verstehe ich als ein Miteinander von Mensch und Natur, in dem Insekten auch mal etwas von einer Frucht oder einem Blatt abknabbern dürfen. Nur so kann am Ende ein biologisches Gleichgewicht entstehen.
Welchen persönlichen Vorteil hat man, wenn in Beeten und Rabatten viele Nützlinge zu Gast sind?
Fast alle Obstbäume und Beerensträucher sind auf die Befruchtung durch Bienen und Hummeln angewiesen. Deshalb werden alle, bei denen sich viele Bestäuber in den Gärten tummeln, mit einer besonders reichen Ernte belohnt. Viele Wildbienen- und Wespenarten besitzen aber noch eine weitere, wenig bekannte Fähigkeit: Während des Nestbaus in der Erde durchpflügen sie ähnlich dem Regenwurm den Boden. Dabei lockern sie die Erde, schichten Nährstoffe von unten nach oben und verbessern die Bodenqualität.
Was kann ich im Herbst und Winter für die Nützlingen tun?
Seit einiger Zeit hat sich das große herbstliche „Aufräumen“ bei vielen Gartenbesitzern durchgesetzt. Ich empfehle aber, einfach mal das Laub bei Einbruch des Winters unter den Bäumen und Sträuchern liegen zu lassen und nicht alle Stauden zurückzuschneiden, denn auch sie bieten Insekten wichtige Überwinterungsmöglichkeiten.
Und wer Lust auf noch mehr Artenvielfalt im Garten hat, baut vielleicht sogar ein Sandarium, das ganz einfach offene Bodenbereiche als Nisträume bietet. Hier reicht schon eine Fläche von einem Quadratmeter mit nährstoffarmem Boden aus, die nicht bepflanzt wird.
Ich habe nur einen kleinen Stadtbalkon, kann ich dennoch Nützlingen ein Zuhause bieten?
Schon ein kleiner Balkon mit zwei oder drei Blumenkästen reicht aus, um zum Schutz von Bienen, Hummeln und Schmetterlingen beizutragen. Zu den besonders nützlingsfreundlichen Balkonblumen zählen Glockenblume, Thymian, Platterbse, Margerite, Blaukissen, Steinkraut, Schafgabe und duftender Lavendel. Auch die Kombination verschiedener Kräuter wie Minze, Schnittlauch und Salbei mit Erdbeeren oder Erbsen mit Bohnen hat sich bewährt.
Doch auch auf dem Balkon funktioniert der Schutz der Nützlinge nicht ohne Nisthilfen. Für Wildbienen und Wespen reicht bereits ein Blumentopf mit Sand, aber natürlich besiedeln sie auch gerne künstliche Nisthilfen, von denen es eine große Auswahl gibt.
Was sagen Sie als Wildbienenexperte Menschen, die aus Angst vor Stichen keine Wildbienen in ihrem Garten beherbergen möchten?
Wer sich ein wenig mit Wildbienen beschäftigt, wird schnell merken, dass diese Angst vollkommen unbegründet ist. Während die Stiche von Honigbienen und Wespen Schmerz und Schwellungen erzeugen oder in seltenen Fällen schwere Allergien auslösen, kann der schwache Stachel der meisten Wildbienen unsere Haut nicht durchdringen. Eine der wenigen Ausnahme stellen die glücklicherweise sehr friedfertigen Hummeln dar.
Wildbienen sind zudem sanftmütige Wesen. Sie gehen einer Auseinandersetzung aus dem Weg und greifen auch nicht an, wenn wir uns ihren Häusern und Bauten nähern. Denn im Gegensatz zu Honigbienen haben sie als Solitärbienen kein Volk zu beschützen und müssen keinen Honig verteidigen.
Rolf Witt ist Diplom-Biologe mit Schwerpunkt Stechimmen. Mit ihm haben wir uns einen echten Wildbienenexperten an Bord geholt, der uns bei der Auswahl und Weiterentwicklung unseres insektenfreundlichen Sortiments unterstützt.
Was fasziniert Sie an den Bienen besonders?
Mich fasziniert an den Bienen, dass sie im Gegensatz zu anderen Insekten eine Tiergruppe sind, die extrem viele Lebensformen aufweist. Auf der einen Seite gibt es Bienen, wie zum Beispiel die Honigbienen, die in hochsozialen Gemeinschaftsformen leben. Auf der anderen Seite stehen Parasiten wie die Kuckucksbienen: Sie bauen keine eigenen Nester, sondern nutzen fremde Nester für die Aufzucht ihrer eigenen Brut.
Was interessiert Sie ganz persönlich an den Wildbienen?
Ganz persönlich liebe ich an den Wildbienen, dass sie zu Schönwetterexkursionen einladen. Wildbienen lassen sich am besten beobachten, wenn draußen die Sonne lacht und es angenehm warm oder sogar sehr heiß ist. Als Jugendlicher habe ich mich auch mal eine Zeit lang mit Ornithologie beschäftigt. Das bedeutete aber, ganz früh am Morgen aufzustehen, um den Gesang der Vögel zu lauschen. Das war nicht mein Fall.
Das Bewusstsein, dass für die Wildbienen etwas getan werden muss, ist in den letzten Jahren gewachsen. Können Sie schon einen positiven Effekt für die Bienen durch diese Maßnahmen beobachten?
Aus meiner Sicht: Ja, denn die Wildbienen haben in den letzten zehn Jahren einen massiven Sympathieschub bekommen. Dabei hilft auch, dass sie sich als Leittierart besonders gut eignen. Denn auch Menschen, die sich eigentlich nicht für die Natur und die Tierwelt interessieren, kommen mit ihnen in Berührung.
In der freien Landschaft und auf den durch große Monokulturen geprägten Agrarflächen, liegt noch ein längerer Weg vor uns. Ich hoffe, wenn immer mehr Menschen für den Artenschutz sensibilisiert werden, wird dies auch auf lange Sicht einen Effekt in der Politik und auf anderen Ebenen haben.